Teil 1 von 6
Wanderung auf den Spuren der gärtnerischen Gestaltung des Landschaftsparks Bettenburg.
Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts war die Zeit gesellschaftlichen Umbruchs, alte Werte wankten, Ideen der individuellen Freiheit wurden diskutiert, die Gesellschaft befand sich am Vorabend der industriellen Revolution.
In dieser Zeit gestaltete Christian Truchseß von Wetzhausen, gemeinsam mit dem Hofgärtner der Kasseler Wilhelmshöhe Schwarz, den einmaligen Landschaftspark bei Hofheim in den Haßbergen.
Englische Landschaftsgärten lösten die streng geometrischen Barockgärten ab. Truchseß und Schwarzkopf folgten der aufklärerischen Idee des Gartenphilosophen Hirschfeld. In dessen Büchern „Theorie der Gartenkunst“ entwickelt er für Deutschland eine eigene, von den englischen Landschaftsgärten abweichende Position.
So steht der Garten der Bettenburg für den Übergang von der Klassik zur Romantik und dem Historismus.
Die gesellschaftliche Stellung des Christian Truchseß als Freier Reichsritter prägten dessen Moralvorstellung als fürsorglicher, gerechter Ritter. Dies floss in das Gartenkonzept ein.
Steinerne und hölzerne Denkmale, ausgestattet mit Texten moderner Dichter und Schriftsteller, entstanden und säumten den Weg durch den Garten. Der Wanderer sollte in eine romantisch-melancholische Stimmung versetzt und gereinigt werden.
Gestern, Dienstag den 9. Juni, war es früh morgens nebelig. Auf diese Stimmung hatte ich gewartet, um im Landschaftspark zu fotografieren. Kurzentschlossen fuhr ich von Haßfurt nach Hofheim. Unterwegs boten sich im Morgenlicht wunderbare Aussichten auf die Hügelkette. Dunkle Silhouetten einzelner Dörfer standen vor gleißenden Nebelschwaden im Morgenlicht. In Hofheim bog ich auf die Landstraße zur Bettenburg ab. Ich fuhr in den Nebel, der sich im Tal zwischen der Bettenburg und dem Landschaftspark festgesetzt hatte.
Bei früheren Besuchen des Landschaftsparks war ich der Beschilderung zum Parkplatz gefolgt, wo eine Karte lediglich über die Standorte der steinernen Denkmäler des Parks informiert. Die Tafel listet die Geldgeber der letzten Renovierung der Denkmäler 1988 auf. Diese wurde anlässlich des Ausbaus der Landstraße, die nun den Park durchschneidet, durchgeführt.
Heute wollte ich der Wegführung folgen, die in der Dokumentation von Wolf Eiermann: „Zur Ikonografie der Bettenburger Waldanlagen (1789 – 1811)“ im Heft 2 der „Die Gartenkunst“ aus dem Jahr 1999, als ursprüngliche Wegführung beschrieben ist. Ich wollte erleben, was drei kongeniale Gärtner mit diesem einmaligen Park geschaffen hatten.
- Christian Truchseß von Wetzhausen, Park-Gründer
- Daniel August Schwarzkopf, hessischer Hofgärtner der Wilhelmshöhe in Kassel
- Christian Cay Laurenz Hirschfeld, Autor der „Theorie der Gartenkunst“.
In der „Theorie der Gartenkunst“ beschreibt Hirschfeld, im Dritten Abschnitt, Gärten nach dem Charakter der Gegenden und liefert damit die Vorlage für die Gestaltung der Waldanlage.
Die von Weltschmerz geplagte Seele sollte in dem sanft melancholischen Garten wieder zu frischen Kräften kommen.
„II. SANFTMELANCHOLISCHER GARTEN.
[…] Die Natur giebt zu diesen Anlagen tiefe Niedrigungen, Klüfte zwischen hohen Bergen und Felswänden, verschlossene Winkel in gebirgigen Revieren, dicke schattenvolle Wildnisse und waldige Einöden. Nichts, was Lebhaftigkeit oder muntre Bewegung ankündigt, darf in diesese Anlagen kommen, keine frische Aussicht, kein heller Rasen, keine glänzende Blumenflur, kein offener See. Eingezogenheit, Verschlossenheit, Dunkelheit und Stille müssen hier durchgängig herrschen, und ihre mächtigen Einwirkungen auf die Seele beweisen. Wenn sich in solchen Revieren Wasser befindet, so muß es ruhen oder unmerklich dahin schleichen, in Schilf verwildern, und sich im Schatten überhängender Bäume verdüstern; oder in ein dichtes Gebüsch verschwinden, und die Einbildungskraft einladen, seinem geheimnisvollen Fortlauf in der Dunkelheit zu folgen; […]“
Christian Truchseß v. Wetzhausen, geboren 1755 in Bundorf im fränkischen Reichskreis, war Spross einer alten fränkischen Adelsfamilie. Noch heute befindet sich die Bettenburg neben anderen Gütern im Besitz der Familie. Die Familie war, wie viele Familien in diesem Landstrich, reichsfrei und gehörte dem Ritterkanton Baunach an. Die reichsfreien Ritter hatten sich über Jahrhunderte durch Dienste und finanzielle Unterstützung der Kaiser einen von Fürsten unabhängigen Status erworben. Darauf waren sie stolz. Sie legten Wert darauf, ihre weit zurückreichende Herkunft z.B. auch architektonisch im Stil ihrer Burgen darzustellen. Der Hinweis auf das Alter ihres Adelsgeschlechts betonten sie besonders, da Fürsten immer wieder bestrebt waren, ihre Rechte zu beschneiden und damit ihnen ihre Unabhängigkeit zu nehmen.
Christian von Wetzhausen führte 1774 die standesgemäße „Kavalierstour“ über Berlin, Dresden, Prag nach Wien und Ungarn und über Regensburg und Nürnberg zurück. 1776 bis 1786 stand er in Kassel im Dienst des Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel. In dieser Zeit hatte er die Entwicklung und Umgestaltung der Wilhelmshöhe in Kassel im Sinne eines englischen Landschaftsparks erlebt. Dort war er mit den Ideen der Aufklärung und dem hessischen Hofgärtner Schwarzkopf bekannt geworden. Beide ließen sich von den Ideen des Philosophen Christian C. Hirschfeld leiten, dessen Bücher zur Gartenkunst 1779 bis 1785 erschienen und damals rege diskutiert wurden.
Mit 31 Jahren zog er sich, im Rang eines Majors, zurück auf seine Bettenburg. Von 1789 – 1811 entstand der Landschaftspark, der sich über drei Hügel auf ca. 60 ha erstreckt. Gleichzeitig befasste er sich auch intensiv mit der Bestimmung und Aufzucht von Kirschbäumen, weswegen er auch als „Kirschenbaron“ bezeichnet wird.
Der Weg begann vor der Bettenburg an einem Denkmal das den Gartenkünstlern Schwarzkopf und Hirschfeld gewidmet ist.
Auf einem stufenlosen Weg entlang eines Seitentals führt der Weg zum „Trüben See“. Im See befindet sich eine Insel mit einer Weide, die sich früher im Wasser spiegelte.
Im nächsten Beitrag geht es weiter in das Eremitental.